Wolfspräsenz – Besorgnis bei Hundeführern ist gestiegen

Hundeführerinnen und Hundeführer sorgen sich aufgrund der zunehmenden Wolfspräsenz um ihre Hunde bei der Nachsuche und bei der «lauten Jagd». Doch es handelt sich lediglich um einen von zahlreichen Risikofaktoren. Mitdenken und vorausschauen ist gefragt, wie ein Blick in den Kanton Glarus zeigt.

Veröffentlicht am 28.08.2023

Die Hochjagd steht vor der Tür. Für Patentjägerinnen und -jäger die wohl schönste Zeit im Jahr. Sie stecken schon mitten in den Vorbereitungen und treffen zahlreiche Vorkehrungen. Ebenfalls fuür die bevorstehende Zeit rüsten sich die zahlreichen Nachsucheführerinnen und -führer, die zu jeder Tages- und Nachtzeit unermüdlich zur Verfügung stehen werden. Seit jedoch die Wölfe in die hiesigen Jagdgefilde zurückgekehrt sind und deren Populationen auch immer weiter ansteigen, blicken die einen oder anderen Hundeführerinnen und Hundeführer mit einer gewissen Sorge auf die bevorstehende Hochjagd. Aus dem Ausland sind bereits Fälle bekannt, wo Jagdhunde mit dem Wolf in Konflikt gerieten oder bei Hatzen wegen Isegrim zu Tode kamen. Noch handelt es sich um Einzelfälle. Es wird aber davon ausgegangen, dass die Zahl der Übergriffe von Wölfen auf Hunde zunehmen wird (JAGD&NATUR berichtete in der Ausgabe 7/2022). Doch wie sieht die Situation heuer in der Schweiz aus? JAGD&NATUR warf einen Blick in den Kanton Glarus, wo auch in diesem Jahr einige Hundehalterinnen und -halter aufgrund der steigenden Wolfspräsenz Bedenken rund um den Einsatz ihrer Jagd- und Schweisshunde äussern.

Zunehmender Wolfsbestand

«Ja, die Sorge geht um – mindestens beim Gros der Jagdhundehalter. Wer einen jagenden Hund führt, ist besorgt wegen der Wölfe – umso mehr, als scheinbar der Wolfsbestand (mit nun zwei Rudeln) im Glarnerland noch zunimmt», erklärt Fritz Stüssi, Präsident des Glarner Jagdvereins, auf Anfrage von JAGD&NATUR. Im Kanton Glarus ist das Kärpf-Rudel bestätigt. Dass sich mittlerweile ein zweites Wolfsrudel gebildet hat, wird aufgrund von Fotofallen-Aufnahmen stark vermutet. Auf die Frage, worüber sich die Hundeführer am meisten Sorgen machen, erklärt Fritz Stüssi: «Ganz einfach gesagt – dass mein geliebter Jagdpartner verletzt – im besseren Fall – zuru?ckkommt, oder aber gar nicht mehr zuru?ckkommen kann. Das würde natürlich sehr schmerzen.»

Höhere Risiken als der Wolf

Da die Angst vor einem Zusammentreffen zwischen Hund und Wolf befürchtet wird, haben bereits einige Nachsucheführer im Vorfeld der Hochjagd erklärt, dass sie ihre Hunde auf einer Nachsuche nicht schnallen werden. Dass Bedenken geäussert werden, sei berechtigt, auch wenn es seines Wissens nach in der Schweiz noch keinen bestätigten Fall eines direkten Konfliktes zwischen Hund und Wolf gab, erklärt Sämi Gantner, Wildhüter im Kanton Glarus. «Passiert es im Ausland, kann es auch bei uns passieren.» Für den Wildhüter, der bei der kantonalen Schweisshundeorganisation als Kantonsobhut Schweisshundeführer aus- und weiterbildet, sei dies aber kein Grund, nicht nachzusuchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Schweisshund während einer Hatz aufgrund anderer Risiken wie dem Strassenoder Bahnverkehr, Hochwasser und gefährlichem Gelände sich verletze oder zu Tode käme, sei wohl sehr viel höher. Was den erfahrenen Schweisshundeführer ärgert, sei vielmehr, dass diese Risiken von den Hundeführern bis anhin ohne grosses «Wenn und Aber» in Kauf genommen wurden. Sobald aber das Thema Wolf aufkäme, werde es emotional. «In zehn Jahren als Wildhüter habe ich mehr Hunde erlebt, die abgestürzt, überfahren oder ertrunken sind», so Sämi Gantner. Dass sie von einem Wolf genommen werden, sei bis jetzt noch nie der Fall gewesen. Daher sein Appell: Wenn der Nachsucheführer weiss, dass er seinen Hund nicht schnallen will, soll er erst gar keine Anschüsse annehmen. «Dann musst du diejenigen machen lassen, die das kleine Risiko eingehen möchten.» Es gibt doch viele Nachsuchen, die ohne Hatz, Schnallen oder Stellen nicht beendet werden können.

Auch Fritz Stüssi hofft, dass die Schweisshunde trotz vorhandener Sorgen situativ geschnallt werden. «Die Umsetzung des zeitgemässen Tierschutzes – möglichst rasche Beendigung des Tierleides des verletzten Wildes – verlangt das». Ein Erfordernis nicht nur während der Jagd, sondern auch bei Wildunfällen», so der Präsident des Glarner Jagdvereins.

Die Risiken, dass sich ein Schweiss oder Jagdhund aufgrund des Strassenoder Bahnverkehrs, Hochwassers oder gefährlichen Geländes verletzt, ist sehr viel grösser.

Weichende Wölfe

Vor zwei Jahren hat Sämi Gantner einen Einsatz erlebt, als der Hund geschnallt wurde und unterhalb des Einsatzgebietes zwei Wölfe raussprangen. «Die Wölfe sind ganz klar gewichen. Für den Hundeführer ist das natürlich ein mulmiges Gefühl, es ist neu. Aber die Wölfe waren nicht am kranken Schmaltier, sie hatten das Stück nicht in Besitz, sondern einfach Reissaus genommen.»

Der Wildhüter ist überzeugt, dass sicherlich bereits einige Hunde mit Wölfen Kontakt hatten, ohne dass der Halter sich dessen bewusst war. «Es ist aber auch situativ und von den einzelnen Charakteren abhängig, ob es tatsächlich zu einem Übergriff kommt», so der Wildhüter. «Die Räuber wollen ja auch kein Risiko eingehen und sich verletzen, das könnte ihr Untergang sein.» Als Beispiel: Wenn ein Hund im Schwarzwildgatter zu agressiv ist, dann ist er auch nicht geeignet für die Arbeit auf Schwarzwild. So ein Verhalten kann sich auch beim Wolf zeigen und je nach Situation eine natürliche Gegenreaktion auslösen.

Bei Wolfspräsenz zuwarten

Die Nachsucheführerinnen und -führer müssen alle Risiken wie den Verkehr oder das Gelände miteinberechnen und die Gefahren abschätzen. Die Wolfspräsenz sei nichts anderes als ein weiterer zu berücksichtigender Faktor. «Man kann mit dem Wildhüter Kontakt aufnehmen, der weiss eventuell, wo die Wölfe sind. Wenn jemand das Risiko nicht eingehen will, dann muss man seinen Hund zu Hause lassen», so der Wildhüter. Das Kerngebiet der beiden Rudel liegt in den eidgenössischen Jagdbanngebieten. Dies werde sich auch während der Jagdzeit kaum ändern.

Wenn bei einer Nachsuche die Wolfspräsenz gespürt wird, dann empfiehlt Sämi Gantner, erst mal zuzuwarten. Zudem könne das Gebiet mit disziplinierten Vorstehschützen grossräumig abgestellt werden. «Einerseits gewinnen wir so Zeit, in dem das Tier kränker und die Hatz kürzer wird. Andererseits ist die Möglichkeit beim grossräumigen Abstellen mit guten Schützen vorhanden, dass das Tier erlegt werden kann, ohne dass ich schnallen muss», so der Schweisshundeführer. Sein Tipp: «Studiert und geht im übereifrigen Effekt kein sinnloses Risiko ein. Man kann statt schnallen auch 500 bis 1000 Meter mehr am Riemen gehen, bis die Gewissheit der Situation grösser ist.»

Wenn ein Hundeführer es erleben sollte, dass er mit dem Hund erfolgreich zum kranken oder verendeten Stück Wild kommt und die Wölfe es bereits in Besitz genommen haben, dann gibt es nur eins: sich entfernen. «Wenn das mal eintreffen sollte, dann haben die Nachsucheführer ganz klar den Auftrag, sich zurückzuziehen und die Wölfe in Ruhe zu lassen», so der Wildhüter.

Jagdhunde mit Lärm begleiten

Nebst den Nachsucheführerinnen und -führern sind sich auch Jagdgruppen oder Einzeljäger, welche die Reh-/Niederjagd (Hase, Fuchs) mit laut jagenden Hunden betreiben, der Wolfsproblematik bewusst. Die Rückfragen beim Wildhüter seien aber noch gering, was auch daran liegen mag, dass im Kanton Glarus immer weniger Jagdhunde im Einsatz sind. Jedenfalls werden die Gruppen sich vor dem Jagdtag an den aktuellen Wolfssichtungen gemäss Publikation der Jagdverwaltung orientieren. Zudem werden situativ frei jagende Hunde von Lärm machenden Treibern begleitet, in der Hoffnung, dass der Wolf weicht. «Ich auf jeden Fall werde meine Save-Bracke einsetzen. Unsere kurzen Jagdzeiten – Reh total drei Wochen – erfordern Jagdhunde für die ‹laute Jagd›. Bei uns mit den vielen ‹Jungwüchsen› und einer situativ hohen Verbuschung, gerade in unseren Schutzwäldern, ist die erwartete jagdliche Effizienz ohne Jagdhunde gar nicht erwartungsgemäss umsetzbar», erklärt Fritz Stüssi. Was kann denn der Jagdhundehalter tun, um seinen Hund zu schützen? «Wohl nicht gerade bei der Ankunft im Jagddispositiv den Hund schnallen», meint der Präsident. «Erfahrungswerte aus Deutschland, insbesondere bei grösseren Bewegungsjagden, zeigen, dass bei einer sich abzeichnenden jagdlichen Störung die Wölfe dieses Gebiet eher verlassen. Die Hunde werden dort etwa 30 Minuten nach dem Anblasen geschnallt.»

Text: Nathalie Homberger
Bilder: Nathalie Homberger

 

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