Fox Bullets – ein Revival slowenischer Ingenieurskunst

JAGD&NATUR durfte das Classic-Hunter-Geschoss von Fox Bullets einem umfassenden Test unterziehen. Das Jagdgeschoss nimmt in seiner Wirkungsweise eine eigene Nische ein.

Veröffentlicht am 28.08.2023

Wer in der vergangenen Zeit vor leeren Munitionsregalen stand, wird sich gut überlegen, zu welchem Fabrikat er greift und wie lange er davon zehren kann, um erneute Überraschungen zu vermeiden.

Das umfangreiche Fox-Bullets-Sortiment ist eine erfreuliche Bereicherung für den schweizerischen Munitionsmarkt, der von wenigen Konzernen und deren Unternehmen dominiert ist. Das Classic-Hunter-Geschoss ist eine Eigenentwicklung der slowenischen Firma Fox Bullets. Das Geschoss ist bereits seit 2015 als Wiederladekomponente und seit 2017 als Munition erhältlich. Neben Niederwildkalibern stehen neu auch gängige Randpatronen zur Verfügung, sodass auch kombinierte Waffen versorgt sind. Die Spezialisierung auf ein Produkt, die kurzen Lieferwege in die Schweiz und eine autonome Produktion versprechen auch langfristig eine gute Versorgungssicherheit bei attraktiven Preisen.

Die Munition

Für diesen Munitionsbericht wurden die drei verfügbaren .308-Winchester-Laborierungen 130 gr (8,4 g), 150 gr (9,7 g) und 165 gr (10,7 g) von der Firma J. Dietsche GmbH zur Verfügung gestellt. Die Munition ist in einer einfachen, aber ansprechenden Kartonschachtel zu 20 Stück verpackt, die theoretische Mündungsgeschwindigkeit und die daraus resultierende Flugbahn sind aufgedruckt. Die Angabe der Messlauflänge fehlt leider zur Referenz. Die Munition und Geschosse erscheinen hochwertig verarbeitet. Die Hülsenprägung GGG verrät als deren Hersteller die staatliche Rüstungsfabrik AB Giraites Ginkluotes Gamykla in Litauen. Die Fabrik hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 durch eine äusserst hochwertige Fertigung von Nato-Munition einen guten Ruf erarbeitet. In Sportschützenkreisen wird die äusserst gleichmässige Hülsenfertigung gelobt. In anderen Kalibern sind abweichende Fabrikate zu erwarten, da GGG als waschechter Rüstungskonzern darüber hinaus nur das Kaliber .223 Remington fertigt.

Die prägnante Geschossform erinnert an das ABC-Geschoss der ehemaligen Hirtenberg AG. (Bild: Nathalie Homberger)

Durch die gleiche Patronenlänge und Geschossspitze sind die drei .308-Win.-Laborierungen optisch nicht voneinander zu unterscheiden. Eine farbliche Markierung, zum Beispiel am Zündhütchen, wäre wünschenswert, um Verwechslungen nach dem Auspacken zu vermeiden. Der relativ hohe Zinkanteil im gedrehten Tombakgeschoss (zehn Prozent) verbessert die Gleiteigenschaften im Lauf, wodurch gegenüber reinen Kupfergeschossen weniger Ablagerungen zu erwarten sind. Zur Reduktion des Einpresswiderstands weisen die Geschosse im Führungsbereich breite Entlastungsrillen auf. Die konische Geschossspitze ist im Verhältnis zur Gesamtlänge relativ kurz und gedrungen ausgebildet. Dies wirkt sich durch den kurzen Freiflug im Patronenlager günstig auf die Präzision aus, bringt aber den Nachteil mit sich, dass das Geschoss tief in die Patrone gesetzt werden muss. Gerade mit dem sehr langen 165-g-Geschoss und der bereits kleinvolumigen .308 Win. geht das zulasten der Treibladungsmenge und so der maximalen Geschossgeschwindigkeit.

Geschichte

Die prägnante Geschossform mag den einen oder anderen an das ABC-Geschoss der ehemaligen Hirtenberg AG erinnern, dessen Produktion im Jahr 2004 eingestellt wurde. Die Ähnlichkeit ist kein Zufall, so diente das ABC dem heutigen Classic-Hunter-Geschoss als Inspiration und Vorlage. Das ABC-Geschoss geniesst gerade im Ursprungsland, aber auch darüber hinaus bis heute einen guten Ruf und erfreut die Besitzer von Restbeständen nach wie vor durch die zuverlässige Wirkung. Das ABC-Geschoss wurde ab 1967 vom slowenischen Physikprofessor France Avcin entwickelt, der sein Patent an die österreichische Hirtenberg AG verkaufte, die mit einigen Anlaufschwierigkeiten 1972 die Serienproduktion aufnahm. Prof. Avcin war als passionierter Weidmann und Ingenieur seiner Zeit weit voraus, die neuartige Konstruktion war gerade zur damaligen Zeit hoch umstritten.

Seine Motivation zur Neuentwicklung fand Avcin nicht im wirtschaftlichen, sondern im persönlichen, weidmännischen Interesse. Vielfach zeigten einfache Mantelgeschosse unzufriedenstellende Ergebnisse, mit denen er sich nicht zufriedengab. Einerseits rühmte er das (in der SFR Jugoslawien wohl nicht erhältliche) Remington-Core-Lokt-Geschoss als einen idealen Deformator, kritisierte jedoch auch dessen Zerlegung bei Knochentreffern. Als Inspirationsquelle bediente sich Avcin auch einem Patent der Brüder Koshollek aus dem Jahr 1923 (Abbildung), welches zur damaligen Zeit keine Beachtung fand. Es erscheint naheliegend, dass die Bleifüllung des ABC ein reines Zugeständnis an den Zeitgeist war, denn er sah gerade im kompletten Verzicht auf eine Füllung oder aber in der Verwendung von Kunststoff erhebliche Vorteile. Auch heute wirken seine Überlegungen hoch aktuell, seine Ansprüche an ein ideales Jagdgeschoss sind nahezu deckungsgleich mit den neusten Werbeversprechen. Neben dem Verzicht auf eine Bleifüllung hat das Classic-Hunter-Geschoss gegenüber dem ABC keine vertikalen Sollbruchrillen in der Hohlspitze, wodurch das Classic Hunter nicht in vordefinierte Fahnen aufpilzt.

Wirkung

Bei der Wahl einer neuen Jagdpatrone sehen sich Jägerinnen und Jäger mit unzähligen und widersprüchlichen Meinungen konfrontiert, die auf unterschiedlichen Gegebenheiten und Erfahrungen beruhen. Bei den bleifreien Geschossen gilt grundsätzlich der Ratschlag, zu einer leichteren Gewichtsstufe zu greifen, als es bei Bleigeschossen sinnvoll ist. Leider kann dies dennoch zu kurz greifen und zu unliebsamen Erfahrungen führen, wenn das Geschoss zu lang für den Drall der eigenen Waffe ist. Einige Hersteller geben daher vorbeugend konkrete Empfehlungen je Geschoss ab, diese Angaben fehlen bei Fox Bullets noch weitgehend. Die empfohlenen Dralllängen sind daher beispielhaft für die Kalibergruppe .308 ermittelt worden und in der nebenstehenden Tabelle ersichtlich. Ist die Dralllänge unbekannt, kann diese am einfachsten mit einem markierten Putzstock ausgemessen werden. Nachdem die Geschossstabilisierung beachtet wurde, sollte das Geschossgewicht entsprechend der Schussdistanz und jeweiligen Zielgeschwindigkeit gewählt werden. Trotz der beschwichtigenden Zusicherung, dass die Geschosse selbst bei 500 m/s noch zuverlässig ansprechen, sollte das nicht mit zufriedenstellenden Ergebnissen verwechselt werden. Pilzt ein langsames Geschoss im Wildkörper nur wenig auf, fehlt die notwendige Stirnfläche, die einerseits für einen richtungsstabilen Wundkanal notwendig ist (Schulterstabilisierung) und andererseits, gerade bei langsamen Zielgeschwindigkeiten, für eine effektive Energieabgabe notwendig wäre. Es ist entgegen den Mantelgeschossen ratsam, möglichst viel Geschwindigkeit ins Ziel zu bringen und sich so für relativ leichte Geschosse zu entscheiden, wenn nicht nur die Kirrungsjagd betrieben werden soll.

Alle drei Laborierungen sind zügig auf den zweifachen Durchmesser aufgepilzt, bei grösserem Widerstand lösten sich die Fahnen vollständig vom Restbolzen ab. (Bild: Oliver Truninger)

Als Allrounder ist das 150-g-Geschoss in der .308 Win. oft ein guter Kompromiss, das 130 gr verspricht durch die höhere Rasanz jedoch eine bessere Augenblickswirkung bei dennoch ausreichender Tiefenwirkung. Gerade beim Thema Ausschuss spielt das Fox-Geschoss seine Stärke aus. Massestabile Deformatoren können auf kurze Schussdistanz den Nachteil haben, dass sie sofort sehr stark aufpilzen und so viel Energie abgeben, die anschliessend für einen Ausschuss fehlt. Die Fahnen des Fox-Geschosses sind filigraner und aufgrund der Legierung etwas spröder als üblich, weshalb sie bei hohen Zielgeschwindigkeiten (kurze Schussdistanz) oder Knochentreffern abbrechen können. Dies mag irritieren und als Nachteil erscheinen, die Eigenschaft sorgt aber gerade in den angesprochenen Härtefällen für den sehr geschätzten Ausschuss. Der Restbolzen hat auf der verbleibenden Stirnfläche wieder eine deutlich höhere Energiedichte konzentriert, wodurch die gewünschte Tiefenwirkung erhalten bleibt.

Resultate

Der Trend geht, nicht nur den Schalldämpfern geschuldet, zu kurzen Läufen. Für den Munitionstest wurde daher eine Tikka T3 mit 47 cm langem Lauf verwendet. Auf dem Schiessstand bestätigte sich die gute Präzision auf Anhieb, die erste Fünfschussgruppe ergab einen Streukreis von 21,6 mm, womit die Präzisionsgarantie von Tikka deutlich unterschritten wurde (29 mm bei 3 Schuss). Um die effektiven Geschwindigkeiten und die Kurzlauftauglichkeit zu testen, wurden die Mündungsgeschwindigkeiten mit einem MagnetoSpeed-V3- Messgerät erfasst. Die Ergebnisse sind in der Tabelle abgebildet. Die reduzierte Geschwindigkeit entspricht gegenüber den Fabrikangaben einer zusätzlichen Schussdistanz von etwa 50 bis 70 m. Um die angesprochenen Aspekte der Geschosswahl der Praxis gegenüberzustellen, wurden diverse Beschüsse durchgeführt. Alle drei Laborierungen sind zügig auf mehr als den zweifachen Durchmesser aufgepilzt, bei grösserem Widerstand lösten sich wie vermutet die Fahnen vollständig vom Restbolzen ab.

In der kurzen Testperiode konnten mit der 150-g-Laborierung zwei geringe Wildschweine und ein Jungfuchs zu voller Zufriedenheit erlegt werden. Beim Überläuferkeiler (40 kg) auf 80 m war ein deutlicher Anschuss mit ausreichenden Pirschzeichen vorhanden, die auf der 40 m langen Flucht mit reinem Lungentreffer bis zum verendeten Stück führten. Das zweite Stück mit 25 kg bestätigte die gute Wirkung aus dem 47-cm-Lauf, wohl dem einschussseitigen Rippentreffer geschuldet gab es durch Splitter einen zweiten Ausschuss.

Fazit

Fox Bullets ist es gelungen, den slowenischen Errungenschaften neues Leben einzuhauchen. Die Produkte sind eine wertvolle Bereicherung des hiesigen Munitionsmarktes, nicht nur aufgrund von Lieferproblemen. Preislich reiht sich die Munition mit rund 58.– bis 91.– CHF/20 Stk. im Mittelfeld ein und hat ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Das Angebot der Geschosse ist noch umfassender und erschliesst dem Wiederlader zu günstigen Preisen (0.85 bis 1.40 CHF/Geschoss) ein grosses Potenzial. Sehr vorbildlich und kundennah stellt Fox Bullets den Wiederladern einen eigenen Datensatz für das Programm Quickload (Simulation Innenballistik) zur Verfügung. Das Classic-Hunter-Jagdgeschoss von Fox Bullets blick auf eine Geschichte zurück und nimmt in der Wirkungsweise, zwischen Teilzerlegern und massestabilen Deformatoren, eine eigene Nische ein. Das Classic-Hunter-Geschoss ist ein Revival slowenischer Ingenieurskunst, das nicht nur aufgrund der Bleifrei-Diskussion eine ernsthafte Überlegung wert ist.

Text: Oliver Truninger
Hauptbild: Nathalie Homberger

 

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