Drückjagd Strecke mit Taktik und Strategie
Gesellschaftsjagden sind Teamwork. Es gibt einige wichtige strategische Punkte zu beachten, damit der Jagdtag ein Erfolg wird und nachhaltige Drückjagdstrecken erreicht werden. Welche diese sind, verrät uns Berufsjäger Gianni Parpan.

Wer einmal das Glück hatte, Wölfe bei uns in den Schweizer Alpen auf der Jagd nach Rotwild zu beobachten oder zu sehen, wie Orcas in Kanada Robben auf Eisschollen fangen, wird schnell feststellen: Jagderfolg im Tierreich basiert nicht auf gut Glück. Es wird mit Taktik, Timing und besonderen Fähigkeiten Beute gemacht. Jeder Löwe und vermutlich auch jede Gazelle würde uns bestätigen, erfolgreiche Gruppenjagd ist Teamwork. Ein starkes Attribut, dass auch bei den herbstlichen Gesellschaftsjagden auf Schalenwild, unseren Drückjagden, grossgeschrieben werden sollte. Im selben Revier regelmässig grosse und alljährlich wiederkehrende hohe und nachhaltige Drückjagdstrecken sind kein Zufall, sondern meist penibel durchorganisierte, ganzjährliche Teamleistungen.
Wille zum Beutemachen
Bei der Drückjagd gibt es durchaus Faktoren, die wir nicht oder nur bedingt beeinflussen können, wie zum Beispiel das Wildvorkommen, das Wetter oder die Trefferleistung der Schützen. Was wir aber als Jagdveranstalter und Pächter beeinflussen können und als grundlegende Basis für einen erfolgreiche Drückjagd an den Tag legen, ist der Wille, Beute zu machen. Liest sich im ersten Moment als selbstverständlich, doch kenne ich die einen oder andern Jagdherren oder Pächtergemeinschaften, die im Gegensatz zu den meisten Schützen am Jagdtag gar nicht unbedingt viel Wild auf der Strecke haben wollen. Vielmehr «drückt» das Revier mit, weil es Vorgabe vom Hegering oder Forstbehörde ist oder weil revierübergreifend gejagt wird. Kleine Reviere in der Schweiz drücken oft auch aus gesellschaftlichen Aspekten – nicht umsonst wird die Drückjagd auch Gesellschaftsjagd genannt. Ich möchte den gesellschaftlichen und sozialen Wert einer Drückjagd auf keinen Fall in Frage stellen. Wie sich eine Jagd anfühlt, wenn dieser Teil wegfällt, kennen die meisten aus der Coronazeit. Doch oberste Priorität neben der Sicherheit sollte der Wille haben, weidgerecht Beute zu machen: rein schon aus Aspekt des Tierschutzes, egal, ob als Organisator oder als Teilnehmer.
Grosse Strecken brauchen viele helfende Hände. Was gerade aus wildbrethygienischer Sicht von grosser Bedeutung ist. (Bild: Gianni Parpan)
Ruhe vor dem Sturm
Als Berufsjäger sage ich immer, jede Wildart ist lenkbar über Ruhe und Äsung. Wende ich diese beiden Faktoren gezielt und aufeinander abgestimmt an, habe ich in der Regel den Reviergegebenheiten entsprechend den «Stall» voll vor der Jagd. Je nach Jagd- und Reviermanagement fange ich früher oder später im Jahresverlauf an, mein Wild im Revier so zu lenken, dass ich es zur Drückjagdzeit auch just da liegen oder einstehen habe, wo ich es gut, sicher und effizient mit einer Bewegungsjagd bejagen kann. Je näher der grosse Drückjagdtag kommt, desto wichtiger wird die Komponente «Ruhe im Revier». Es gibt grosse private Eigenjagden im nahen Ausland, die in den Wochen unmittelbar vor der Jagd sogar ein absolutes Betretungsverbot auf ihrem Grund und Boden ausrufen. Es ist mir klar, dass in den meisten Revieren bei uns die rechtlichen Grundlagen dazu fehlen und dies auf Grund der hohen Besucherfrequentierung in den Naherholungsgebieten der dicht besiedelten Schweiz oft schlichtweg nicht umsetzbar wäre. Dennoch sollten wir versuchen, alles, was wir von Seite Jagd her zur Ruhe im Revier beitragen können, unbedingt konsequent umzusetzen. Kurz vor der Jagd noch Stände neu aufbauen, umzustellen oder freizuschneiden, Ansteller und Treiber im Gelände noch kurzfristig einzuweisen oder die Einzeljagd noch am Rande auszuüben, wirken sich eindeutig negativ auf eine Drückjagdstrecke.
Unterschiedliche Fluchtreaktionen
Matchentscheidend für eine gute Strecke ist natu?rlich die Standortwahl der Schützenstände. Fast immer sollen mehrere Schalenwildarten gleichzeitig bejagt werden, die sich aber, von uns in Bewegung gesetzt, ganz unterschiedlich verhalten. Hier sollte man klar differenzieren, welcher Wildart das Augenmerk der Jagd gilt. Gute Schwarzwildstände sind meist keine Top-Rehwildposten und selten gute Rotwildplätze. Schon rein evolutionsbedingt und dadurch anatomischer Natur ist das Fluchtverhalten dieser Arten völlig unterschiedlich. Auch topografisch können die Bestände mit der Standortauswahl der Schützen die Strecke fördern. Gerade wer eine grosse Halde, Hanglagen oder ein Tal im Revier hat, weiss, dass zum Beispiel Sauen selten aus einer solchen vertikal flüchten, vielmehr queren sie eine Hanglage und wechseln dann oft der Geländekante entlang. Bekannte «dicke» Wechsel, die durch den vertrauten Gang in die Äsung entstehen, nimmt das Wild selten bei Flucht und Gefahr an, oft sind es die Fluchtwechsel in den sogenannten «Dunkelbrücken», die Strecke bringen. Viel Schussfeld heisst nicht unbedingt viel Anlauf. Mit Erfahrung und jagdlichem Gespür können Drückjagdstände vielversprechend und sicherheitsbedacht gestellt werden.
Rollen verteilen
Die Zuständigkeiten bei einer Gesellschaftsjagd sollten klar verteilt sein. Gerne nehmen motivierte Leute, oft auch aufgrund ihres fachlichen Könnens, mehrere Aufgaben an diesem Tag wahr. Idealerweise hat jeder aber nur eine Aufgabe. Sollte eine zweite dazukommen, dürfen sich diese auf keinen Fall zeitlich konkurrenzieren. Die Zeiten, in denen der Jagdleiter die Autos einweist, selber Nachsuchen macht, am Streckenplatz aufbricht, die Treiberlinie führt und dazu noch die Strecke verbläst und Asersuppe kocht, sind definitiv vorbei. Eine spärliche Verteilung der Zuständigkeiten führt oft auch zu langen Wartezeiten vor und nach der Jagd am Sammelund Streckenplatz. Grundsätzlich gilt, je grösser die Gesellschaft ist, auf desto mehr Schultern werden die Kompetenzen verteilt. Drückjagd ist Teamwork, mit Frontdesk- und Back-up-Personal.
Ansteller sind VIPs
Für den Jagdleiter sind die Ansteller, also jene Jäger, die die Schützen auf ihren Platz bringen und wieder abholen, die wichtigsten Leute auf dem Platz. Ansteller sind quasi der verlängerte Arm des Jagdleiters. Sämtlicher bilateraler Informationsfluss vor und nach der Jagd zu den Jagdteilnehmern läuft über sie. Ansteller müssen charakterlich passen, geschult sowie orts- und revierkundig sein. Es sollte Standard sein, dass dem Schützen am Stand leise, aber bestimmt erklärt wird, wo in der Regel das Wild zu erwarten ist, wo die Einstände liegen und welche Faktoren an diesem Platz sicherheitsrelevant sind. Nach dem Treiben holt er seine Jäger wieder ab, sammelt erlegtes Wild ein, nimmt Anschüsse auf und dokumentiert Schussabgaben und Sichtungen für spätere Rekonstruktionen und Nachsuchen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass nicht jeder ortskundige Jäger sich als Ansteller eignet. Ein guter Ansteller hat Fingerspitzengefühl, weiss, wann er mal einen Jäger zur Gruppe rausnehmen muss, um unter vier Augen an eine Information zu kommen. Er kann aber umgekehrt auch mal vor versammelter Anstellerlinie wenn nötig einem die «Leviten» lesen. Mehr als fünf Personen sollte ein Ansteller nie anstellen müssen.
Die Ansteller sind die wichtigsten Personen auf einer grossen Bewegungsjagd, ihre Protokolle die Basis für alles, was nach «Hahn in Ruh» kommt. (Bild: Gianni Parpan)
Top-Schützen auf die besten Stände
Ich teile die gemeldeten Schützen bei der Standverteilung meist in 4 Gruppen ein. Gruppe 1 sind meine Top- Schützen, die Jäger oder Jägerinnen in dieser Gruppe sind mir bekannt, sie sprechen schnell und sicher an und brauchen nicht viel Platz und Zeit, um einem Stück die Kugel sauber anzutragen. Da wir richtig Strecke machen wollen, kommen sie auf die besten Stände, meine sogenannten Schlüsselplätze. Gruppe 2 sind Jäger die einen Hund vom Stand schnallen, diese versuche ich, fernab von Gefahrenquellen (Strassen, Eisenbahn, Felsen etc.) für die Hunde dickungsnah zu platzieren. Gruppe 3 sind Gäste von weit her oder gute Freunde der Beständer und so weiter, also Jagdteilnehmer, die unbedingt viel Anlauf haben sollen, auch wenn sie jagdlich vielleicht nicht so versiert sind. Sie verteile ich zwischen die Schlüsselstellen mit den Top-Leuten. So gibt es jagdlich ein Back-up für die Strecke und die Personen der Gruppe 3 freuen sich über den ereignisreichen Jagdtag oft auch ohne Schussabgabe. Gruppe 4 sind Namen, die mir unbekannt sind, oder Jäger und Jägerinnen, von denen ich von vorneherein weiss, dass sie etwas mehr Zeit und Platz brauchen. Diese verteile ich auf die restlichen Stände.
Freigabe beeinflusst Trefferleistung
Mit der Jagdansprache und Sicherheitsbelehrung am Morgen vor der Jagd kann der Jagdleiter mehr Einfluss auf die Strecke nehmen, als oft angedacht. Erfolgt die Ansprache im scharfen Ton und werden hohe Bussgelder und andere Konsequenzen bei Fehlabschüssen angedroht, kann dies unsichere Schützen oder Jäger mit wenig Drückjagderfahrung stark verunsichern. Die Angst, einen Fehler zu begehen, kann die Konzentration und Fokussierung beim Wildanlauf dann bedeutend stören und die Schussabgabe direkt beeinflussen. Auch Freigaben, die an Wildbretgewichte gekoppelt sind, wie zum Beispiel Sauen nur bis 45 kg oder Rehkitze bis 10 kg, wirken sich entsprechend auf die Strecke aus. Stände mit wenig Schussfeld werden dadurch unbrauchbar, weil dann auch für gute Schützen das Zeitfenster oft zu klein wird, um die Gewichtsklassen noch sauber anzusprechen. Studien haben bewiesen, dass bei Freigaben mit Wildbretgewichtseinschränkungen, die Gesamtstrecke um etwa 35 Prozent zurückgeht. Der Effekt dieser Einschränkungen hat also nicht nur Auswirkungen auf die gewünschte beschränkte Gewichtsklasse, sondern beeinflusst auch die Gesamtstrecke beträchtlich.
«Sound on»
Einer der wichtigsten Player im Team auf einer Bewegungsjagd sind die Treiber und Hunde. Mit ihnen steht und fällt die Jagd. In der modernen Bewegungsjagd laufen die Treiber nicht mehr in grosser Linie durch oder kreuzen, sondern viele kleine Treibergruppen, unterstützt von Hundeführern mit ihren Hunden, beunruhigen die Einstände in ihrem zugewiesenen Sektor über die ganze Jagddauer permanent. So kann der Jagddruck über das ganze Treiben hochgehalten werden und das Wild hat weniger Möglichkeiten, sich hinter einer Treiberlinie unbeschossen oder sogar unentdeckt wieder einzuschieben. Da die Treiber sich bei dieser Variante im offenen Schwarm bewegen und sich an Dickungen und dem einschiebenden Wild orientieren, sind Treiberrufe aus Sicherheitsgru?nden umso wichtiger geworden.
In Zeiten von Wolf und gut ausgebautem Strassennetz setzen Hundeführer, die sich auf Drückjagden spezialisieren, vermehrt auf kurzjagende und lenkbare Hunde. Hunde, die drei Stunden dasselbe Reh jagen, tragen nicht viel zur Strecke bei. Wichtig ist, insbesondere aus Tierschutzgründen, dass die Hunde spur- oder zumindest sichtlaut jagen. Das Wild kann so seine Verfolger hören und stressfreier reagieren. Auch die Schützen haben bei lautjagenden Hunden Vorteile und können sich durch das Hundegeläut auf den Anlauf aus entsprechender Richtung vorbereiten. Wild wechselt bei lauten Hunden deutlich langsamer und verhofft öfters, um sich akustisch neu zu orientieren.
Souverän nach Hahn in Ruh
Ob eine Jagd wirklich gut geplant und durchorganisiert ist, zeigt sich meist erst bei grosser Strecke nach Hahn in Ruh (Ende des Treibens). Hier trennt sich die Spreu vom Weizen bei den Gesellschaftsjagden. Jetzt müssen die Zahnräder des Teamworks funktionieren. Nachsuchen müssen aufgenommen und koordiniert werden. Das Wild muss möglichst schnell geborgen, sauber aufgebrochen, zugeordnet und gekühlt werden. Schützen, Treiber und Hunde wieder eingesammelt und verpflegt werden. Dieser Prozess sollte bei jeder Witterung und auch bei allen unvorhergesehenen Ereignissen und Eventualitäten funktionieren. Mit Übersicht, der Ruhe durch die gute Vorbereitung und einer entsprechenden Logistik erspart man so seinen Jagdteilnehmern lange Wartezeiten – auch an sehr erfolgreichen Jagdtagen.
Welche Taktik Beutegreifer im Tierreich für eine erfolgreiche Jagd anwenden, haben zwei Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell untersucht. Dazu haben sie die Strategien bei der Gruppenjagd von fast 90 Tierarten ausgewertet und festgestellt, dass es vier wichtige Fähigkeiten braucht, damit Gruppenjagden gelingen: 1. stabile Gruppen bilden, 2. miteinander kommunizieren, 3. bestimmte Rollen bei der Jagd einnehmen, 4. die Beute gleichmässig verteilen. Bis auf Punkt 4 ein absolutes «Déjà-vu» für uns Waidmänner und -frauen. In diesem Sinne Waidmannsheil und stets eine sichere und geübte Kugel zur anstehenden Gesellschaftsjagdsaison 2023.
Text: Gianni Parpan
Hauptbild: Rafal Lapinski
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